Am 19.11.2021 erschein im FORUM ein toller Artikel über unsere Arbeit auf dem Gnadenhof der Pferde und Ziegenalm Nassweiler mit dem Titel: Gnadenhof: „Alle bekommen einen Namen“ .
Hr. Thomas Annen berichtet:
Was würde wohl aus abgeschobenen und misshandelten Tieren werden, gäbe es nicht engagierte Tierschützer wie Simone Hinnüber und Guido Karrer. Auf ihrem Hof in Naßweiler finden Pferd, Katze, Ziege und Co. ein sicheres Zuhause.
Ruhig und friedlich präsentiert sich die Pferde- und Ziegenalm im Großrosseler Ortsteil Naßweiler. Der rund sieben Hektar große Hof liegt direkt an der französischen Grenze – und mitten in der Natur: Wiesen, Felder und Wald soweit das Auge reicht. Kurz vor 10 Uhr kämpft die Sonne noch gegen die letzten Nebelschwaden. Es ist kühl. In einer Tonne brennt ein wärmendes Feuer, neben dem Eingang dampft ein Misthaufen. Die Betreiber der Alm, Simone Hinnüber (52) und Guido Karrer (65), sind schon lange auf den Beinen. Sie wohnen auch auf dem Gelände. Beide sind dick eingepackt, Hinnüber trägt eine Mütze. „Morgens ist es am schönsten“, sagt sie bei der Begrüßung. Hütehund Lukas weicht ihr nicht von der Seite. „Etwa 80 Prozent der Tiere, die wir aufnehmen, wurden misshandelt oder einfach abgeschoben“, sagt die Tierschützerin. Einige waren schon auf dem Weg zum Schlachter. Etwa zwei telefonische Anfragen von Haltern, die ein Tier abgeben möchten, erhält sie am Tag. Einige machen sich nicht mal die Mühe anzurufen. Sie binden ihren Vierbeiner am Tor fest und verschwinden. „Corona ist rum, die Leute wollen wieder in Urlaub fahren“, stellt Hinnüber fest. Ihre Erfahrung mit unverantwortlichen Tierhaltern: „Alles, was alt ist und Geld kostet, muss weg“.
Viele wurden misshandelt
Auf dem Gnadenhof dürfen alle Bewohner bis zum Tod stressfrei leben. Paulchen, ein 42 Jahre altes Pony, gönnt sich vor dem Frühstück noch ein kurzes Sonnenbad. Vor einigen Jahren hatte ihm ein Tierquäler den Bauch aufgeschlitzt. Eine Notoperation rettete ihm das Leben. Kollege Buddy wurde vom Veterinäramt während eines illegalen Tiertransports beschlagnahmt. Das Pferd hatte schon mehrere Koliken und ist herzkrank. Einmal in der Woche schaut die Tierärztin nach ihm. Auf dem Weg zum Ziegenstall gesellt sich Lena, die Freundin von Hütehund Lukas, zur Gruppe. Neugierig beschnuppert sie die Gäste. Tigerkatze Mimi schließt sich ebenfalls an, sie möchte schmusen. „Guten Morgen Mimi!“, ruft Simone Hinnüber, während sie die Katze auf den Arm nimmt. Streicheleinheiten wollen auch Krümelchen, Fee und die Oma. Die Ziegen meckern aufgeregt, als sie die menschlichen Stimmen hören. „Das sind unsere ökologischen Landschaftsrasenmäher“, erzählt ihre Pflege-Mama. Gern lassen sie sich das Gras auf dem Gelände schmecken. „Bei uns bekommen alle einen Namen“, erklärt Guido Karrer. Zuletzt wurde Ziegenbock Klein Willi aufgenommen, er irrte auf der französischen Autobahn umher. Die meisten Tiere sind zutraulich und gehen ohne Scheu auf Menschen zu. Es gibt allerdings Ausnahmen. Ein Pferd würdigt uns keines Blickes und hält Abstand. Es sei traumatisiert, erzählt Hinnüber. Deshalb lasse es niemanden mehr in seine Nähe. Die Hufpflege sei nur in der Klinik unter Vollnarkose möglich.
Bei der Versorgung der rund 70 Tiere packen viele helfende Hände mit an. „Wir haben ein tolles ehrenamtliches Team“, sagt die Almchefin mit Blick auf die rund 30 Unterstützer, die regelmäßig vorbeischauen. Jeder ist willkommen, egal ob jung oder alt, dick oder dünn, arm oder reich. Nur das Herz muss am rechten Fleck sitzen. Alles andere findet sich von selbst. Die eine füttert die Tiere, der andere repariert den Zaun, ein Dritter spült die Kaffeetassen. An diesem Morgen ist Andrea die erste Helferin, die eintrifft. Zweimal in der Woche fährt sie von St. Ingbert nach Großrosseln, um sich um Pony Max und Esel Moritz zu kümmern. „Sie kommt bei Wind und Wetter“, lobt Hinnüber. Inzwischen hat auch der Esel die Ankunft seiner zweibeinigen Freundin bemerkt. „Iaah“, schallt es über den Hof.
Kinder und Jugendliche kommen zum Hof
Simone Hinnüber ist Vorsitzende des 2005 gegründeten Vereins „Pferde-Ziegenalm Nassweiler“. Bei ihrem Engagement sind die rund 80 Mitglieder auf Spenden angewiesen. Wegen der Corona-Pandemie musste das Hoffest – die größte Einnahmequelle – schon zweimal ausfallen. „Wir stehen mit dem Rücken zur Wand“, sagt Hinnüber. „Der Winter kommt, es wird hart.“ Ihre gute Laune und ihren Elan lässt sie sich durch die schwierige finanzielle Lage aber nicht nehmen. Sie hat immer neue Ideen, ständig wird irgendetwas geplant oder gebaut. Zurzeit erweitert ihr Team die Auslauffläche für die Tiere. Außerdem soll ein Vereinsheim errichtet werden. Auf dem Gnadenhof bekommen die Tiere auch Besuch von behinderten und benachteiligten Kindern und Jugendlichen. Einige haben einen Sprachfehler, andere werden wegen ihres Aussehens gemobbt. „Hier braucht man nicht schön zu sein“, versichert Hinnüber. Intuitiv finden die Kinder den passenden Gnadenhofbewohner, oft verbinden Mensch und Tier ähnliche Schicksale. Man tröstet sich gegenseitig und schöpft Kraft für den Alltag. Jungs und Mädchen ohne Handicap sind natürlich ebenfalls willkommen, auf der Alm kann man auch reiten lernen. „Die Kinder dürfen manchmal auf dem Hof schlafen“, erzählt Simone Hinnüber. Wenn die Faltbetten im Stall aufgebaut werden, will niemand mehr nach Hause. Abends wird geschwenkt, am nächsten Morgen gibt es Spiegeleier mit Speck und Marmelade mit Flûtes.
Am Ende des Rundgangs sprechen wir noch über ein trauriges Thema. Wie geht es den Betreuern, wenn ein Tier stirbt? „Es ist immer ganz schlimm“, sagt Hinnüber sichtlich bewegt. Sie spürt, wenn es mit einem ihrer Schützlinge zu Ende geht. Dann bleibt sie bei ihm, bis die Tierärztin kommt und ihn erlöst. „Der Tod gehört dazu“, sagt die Hofbetreiberin.
Das Helfen liegt ihr offenbar im Blut, sie arbeitet als Altenpflegerin. Nach der Schicht zieht sie sich um und geht zu ihren Ziegen und Pferden. Zu Hause ist Simone Hinnüber nur zum Schlafen. Selbst am Wochenende kann sie die Füße nicht hochlegen. Dann muss sich das Leitungsduo neben den Tieren auch noch um die Gäste kümmern. „Wir haben nie frei“, sagt Hinnüber, „aber wir machen es ja gern.“ Guido Karrer nickt zustimmend. Schon vor zwei Jahren hat er sich vorgenommen, einen Tag angeln zu gehen. „Bisher habe ich es noch nicht geschafft.“
Nachzulesen ist der Artikel im Original unter https://magazin-forum.de/de/node/23923